„Integration?!
Den Sender kenn´ ich nicht!“
„Es ist echt ein heißes Eisen. Man muss wirklich aufpassen, was man sagt. Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, als wollten wir Vorwürfe machen.“
So oder so ähnlich sehen die Vorbereitungen aus, wenn man ein interkulturelles Treffen organisieren möchte, wobei über das brisante Thema „Parallelgesellschaften vermeiden“ intensiv ausgetauscht werden soll.
Die Gesprächspartner sind türkisch-muslimische Mütter, die zum Teil seit dreißig Jahren in Deutschland leben. Es ist das erste Mal, dass man sich mit ihnen über ihre Belange unterhält und vor allem aber sie zur Wort kommen lässt. Sie sind es eher gewohnt, dass man nur über sie redet.
Die Vorstellung verläuft zögerlich in einem eher gebrochenen Deutsch, aber herzlich und ehrlich. Sie sind aufgeregt, leicht beschämt, etwas unsicher, aber man wird schnell warm und die Gespräche werden immer lockerer.
Angekommen im Herzstück der Unterhaltung frage ich sie, in wie weit sie sich mit dem Thema Integration beschäftigt haben. Die etwas anhaltende Stille wird von einer Dame unterbrochen: „Ich habe nur eine Parabolantenne, den Sender kenn´ ich nicht!“
Wer jetzt ein schallendes Gelächter erwartet, der irrt. Es wird nur etwas verhaltend gekichert.
Die Botschaft ist angekommen… Die Damen kennen den “Witz“ schon; Es ist ein unangenehmes Thema. Im weiteren Verlauf werden sie mutiger und können ihre Gedanken und negativen Erfahrungen in konkrete Worte fassen.
Es wird immer deutlicher, dass sie sich in dieser Gesellschaft nicht akzeptiert fühlen. Mehr noch, sie fühlen sich ungewollt und aus der Gesellschaft herausgeschält. Ihre Zukunftsperspektiven sind gleich Null. Ihre Motivation, sich zu bemühen um als einen Teil des Ganzen akzeptiert zu werden, ist am Boden.
Sie sind es leid, sich wegen ihres Äußeres zu rechtfertigen; Die mitleidigen Blicke als wären sie schutzbedürftig und unfähig selbstständig Entscheidungen zu treffen.
„Die “moderne Gesellschaft“ sieht ganz anders aus, wenn man sie aus unserer Perspektive betrachtet“ meint eine Mutter. „Aus welcher Perspektive?“ möchte ich wissen.
Die Antwort ist sehr betonend: „Unter dem Kopftuch!“
Sie können es nicht verstehen, warum so ein riesen Wind um so ein bisschen Stoff gemacht wird. Schließlich bedecken sie damit ihre Haare und nicht ihre Gehirne. Nickende Bestätigung in den Reihen. Die Feststellung, dass es doch sehr auffällig ist, dass kaum eine Frau mit Kopftuch einen “sauberen“ Beruf ausübt, gibt allen zu denken.
Derweil beschäftigt mich der Gedanke, was die Jenigen, die wegen dem Kopftuch so einen Aufstand machen, bewirken wollen. Wo gegen sind sie eigentlich? Es kann nicht ihr Ernst sein, dass sie sich wirklich an einem 1 m² einfachem Stoff gestört fühlen, denke ich mir.
Die Antwort lieferte kürzlich die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin.
Zitat aus dem Internet vom 01.05.2010: „Auch in Deutschland sollen Burkas verboten werden, zumindest nach Ansicht der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin. Die Vizepräsidentin des europäischen Parlaments fordert ein Verbot des Ganzkörperschleiers in ganz Europa. Die vollständige Verhüllung sei ein aufdringliches Bekenntnis zu Werten, die man in Europa nicht teile.Die Burka sei ein massiver Angriff auf die Rechte der Frau, schrieb die FDP-Politikerin in einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“.“
Die Werte, die man in Euro nicht teilt?
Es ist nicht die Burka oder das Kopftuch, das kein Zuspruch findet, weil sie fremd sind; wenn man bedenkt, dass Kimono und Sari als ein Sinnbild des multikulturellen Zusammenlebens willkommen sind. Nein es scheint tatsächlich die Identität der muslimischen Frau zu sein, dass “man“ in Europa nicht duldet.
Daraus resultiert für mich die Frage, wie sich Menschen integrieren und sich als einen Teil an der Gesellschaft beteiligen sollen, wenn ihr Glaube, ihre Heiligtümer, ihre gesamte Identität nicht geduldet wird?
Ja, es ist eine schmerzhafte Erkenntnis aber die muslimische Frau wird wirklich unterdrückt. Nur leider von denen, die sie nicht dulden können.
Das Seminar geht weiter – Nach intensivem Austausch von, zum Teil emotional ergreifenden Schlüsselerlebnissen und bitteren Erfahrungen, erklären sich die Damen bereit, den ersten Schritt in die Gesellschaft zu machen, in der Hoffnung, dass man ihnen mit Toleranz und Anerkennung entgegenkommt.
Sie äußern den Wunsch an Deutschkursen teilnehmen zu wollen. Sofern ihre religiösen Gebote eingehalten werden, wollen sie sogar schwimmen lernen. Sie möchten gerne an Erziehungskursen teilnehmen und sogar unbedingt Motivationskurse belegen um sich in der Gesellschaft richtig auszudrücken und präsentieren zu können. Sie wollen einfach nur dazu gehören, als ebenwertig betrachtet werden.
Ja sie wollen eine Integration!
Eine Integration ihrer Werte in dieser Gesellschaft, damit sie sich darin wiederfinden können.
Sie würden so gerne in dieser Gesellschaft “ankommen“.
Und sie wünschen sich nur eins: Dass der Sender endlich läuft.
Fatma Yüksel
fatma-yueksel@web.de
Publiziert in: Ayasofya, Nr.32, 2010