Wenn Darwin recht hat, warum hört man dann immer wieder den Satz „Früher war alles besser?“ Haben Sie sich auch schon mal dabei erwischt, als Sie diesen Satz einmal selber sagten? Haben Sie sich dann auch über sich erschrocken, weil Sie diesen Satz nieeeemals sagen wollten? Stimmt der Satz überhaupt? Ist es die Altersweisheit, oder werden wir senil? Wie gut müssen sich wohl die ersten Einzeller gefühlt haben? Hätten die Einzeller sich damals vorstellen können, was mal aus ihnen werden kann, dann würden sie wohl weiter in ihrem Tümpel rumdümpeln und sich nicht weiterentwickeln. Aber nach der Evolutionstheorie entwickelt sich ja alles zum besseren, nicht wahr? Zumindest sollte man das annehmen, wenn nur der Stärkere gewinnt.
Doch zurück zu dem Satz, früher sei alles besser gewesen. Stimmt es denn nun wirklich; oder ist heute alles besser als Früher? Früher, das war damals, als die Leute noch braun-gelb-orange Grobmustertapeten an der Wand hatten und wo die ersten Prototypen von TV-Fernbedienungen Kinder waren. Zum Glück gab es damals noch nicht so viele Kanäle.
Apropos Kinder. Analysieren wir mal die Entwicklung der menschlichen Gattung anhand der Kinder. Im Mittelalter galten Kinder ja noch als kleine Erwachsene. Zur Zeit der bunten Grobmustertapeten und giftgrünen Telefonen mit Schnur waren die Kinder schon Kinder und durften ihre Träume artikulieren. Man wollte Astronaut, Arzt oder Lokomotivführer werden und hieß noch Sabine oder Thomas. Heute wollen die Kinder alle Popstars werden, heißen Chantalle-Doreen, Priscilla-Mandy oder Justin-Thorben. Zu mutigen Namen gehören mutige Kinder. Früher z.B. hätte sich kein Kind getraut “Respekt“ einzufordern. Da wurde gegessen, was auf den Tisch kommt und die Eltern bestimmten, welche Musik das Kind hören durfte, oder zumindest nicht hören durfte. Wenn heute ein Vater ins Kinderzimmer geht und sagt: „Junge mach mal die Musik leiser und was ist das überhaupt für eine Musik mit Wörtern wie Motherf….?“ bekommt er als Antwort zu hören: „Ey Opfer, mehr Respekt ja, das ist 50 cent.“ Manchmal denke ich, Jogurt hat mehr Kultur als so manches Kind. Obwohl, wenn man bedenkt, was für Musik früher lief. Roland Kaiser, Heino usw… Da ging es eigentlich auch nur um die gleichen Themen, nur die drückten sich anders aus. Heute geht es direkter zu und die Kinder werden immer selbstbewusster. Selbstbewusster, aber auch intelligenter? Die Evolution hat es ja wohl so vorgesehen. Die Kinder von heute müssten ja intelligenter und kultivierter sein als die Kinder der früheren Generationen, nicht wahr? Neulich, da hörte ich von einem Kindergartenkind zu ihrer Mutter sagen: „Keine Lust Mutti. Das stresst mich, ich will heute chillen!“ Stress und Chillen? Früher kannten wir so etwas nicht. Es gab keinen Stress und “chillen“ war ein Fremdwort, mit dem wir nichts anfangen konnten. Wir gingen damals noch nach draußen um zu spielen. Langeweile, Stress und chillen gab es nicht. Kinder sitzen heute oft vor dem Computer oder dem Fernseher und werden dick und doof. Dick und Doof war früher übrigens lustig und lief im Fernsehen. Heute braucht man die Kinder nicht einmal als Fernbedienung. Das Fernsehen unterfordert die Kinder und die Kinder verdummen. Dennoch glauben heute viele Eltern, dass ihre Kinder hochbegabt sind. Japanerinnen lassen ihren Kindern schon im Babybauch Musikunterricht erteilen. Und später? Später stehen die Eltern dann oft enttäuscht da und müssen mit ansehen, dass die Beethovenmusik während der Schwangerschaft in der Entwicklung des Kindes wohl doch nicht so gewirkt hat, wie gewünscht. Vielen Kindern mangelt es an mathematisch-logischen Denkfähigkeiten. Da meinte die eine Frau doch: „Habe meinen Jungen so sehr gefördert, doch er ist mathematisch so schwach, er kann nicht einmal Eins und Eins auseinanderhalten!“ Da fällt mir spontan das Sprichwort: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ ein.
Neulich sitzen zwei junge Leute da und gucken in die Zeitung. Ich denke mir, ach wie schön, die jungen Leute lesen Zeitung. In der Zeitung steht eine Nachricht zu Hartz IV und gleich daneben die Kinohinweise. Sagt der eine zum anderen: „Ey guck mal, kennst du den Film hier, Hartz? Schon die vierte Folge ey! Hast du das geguckt?“ Na ja, dachte ich, man kann die Kinohinweise mit der daneben stehenden Nachricht durcheinander bringen und immerhin konnte er die römischen Zahlen lesen. Und immer wenn du denkst es kann nicht mehr schlimmer kommen… Da sagt der Andere doch tatsächlich: „Nein, diese Trilogie habe ich nicht geguckt!“
Immer wenn ich denke, da ist ja Hoffnung, die Kinder lesen, oder erinnern sich an Unterrichtsinhalte, kommt es des Öfteren knüppeldick. Einmal, da sprachen zwei Kinder miteinander. Der eine meinte: „Ey, wir haben heute in Geschichte gelernt, dass die Phönizier das Geld erfunden haben. Hat die Lehrerin echt so gesagt!“ Fragt der andere: „Und warum haben die so wenig davon erfunden?“
Wir sprachen von der Mathematikschwäche. Ist es ein Indiz dafür, dass die Menschen sich von der Logik verabschieden? Oder können wir sagen, dass die Schüler überfordert werden? Ich erinnere mich an mathematische Sachaufgaben. Im Matheunterricht fragte mich die Lehrerin damals, wie viele Äpfel der kleine Thomas am Tag gegessen hätte, wenn er morgens 5, mittags 3 und am Abend noch einmal 2 gegessen hat? Während ich noch am überlegen war, wie der Thomas sich wohl vor lauter Bauchschmerzen gekrümmt haben muss, sagte die Lehrerin schon, ich sei im Kopfrechnen zu schwach und nahm einen anderen dran. Wir dürfen mit den Kindern nicht zu hart ins Gericht gehen. Die Erwachsenen sind nicht weniger Schuld an der Entwicklung der Kinder.
Schauen wir doch einmal in die Realität. Da sind wichtige Posten wie die des Finanzministers oder Bundesbankchefs von Leuten besetzt, die nicht rechen können. Wie glaubhaft sind wir dann, wenn wir den Kindern sagen, sie bräuchten Mathematik für die Zukunft und im Beruf? Wie glaubhaft sind Erwachsene, wenn das Kind aus dem Physikunterricht kommt und danach Mathe hat? Wieder so eine Sachaufgabe, dieses mal mit Autos und Geschwindigkeiten. Das Kind meinte, es komme darauf an, denn physikalisch betrachtet, könne man sagen, dass der Betrachter sich gar nicht bewegt, sondern alles andere drum herum. Nur an der Trägheit könne man feststellen, wer sich letztendlich bewegt. In diesem Fall war dann der Mathelehrer träge, träge im Kopf und empfand die Antwort als Veräppelung. Da lernte ich, Trägheit und Bewegung – Bewegung und Fortschritt müssen nicht immer zusammenhängen.
Wenn Evolution doch Fortschritt bedeutet und die Erkenntnisse und Neuerungen anscheinend prinzipiell doch nichts Neues bringen… Ich meine, die Deutschen haben den Krieg um Stalingrad verloren und bei den olympischen Winterspielen im Biathlon die Goldmedaille geholt. Prinzipiell das gleiche: „schießen und weglaufen“. Es ändert sich nur das Muster.
Was wäre denn noch ein Anzeichen für eine Entwicklung der Menschheit? Unsere Kleiderschränke zum Beispiel quillen über. Wir brauchen jedoch nicht soviel Kleidung. Ganz im Gegenteil. Es hält uns von wichtigerem ab. Männer warten unnötig auf die Frau, wenn sie gemeinsam weggehen wollen. Auch hier hat sich prinzipiell nichts geändert. Obwohl, einen evolutionären Sprung hat es gegeben. Männer und Multitasking. Die Männer von heute können das. Zum Beispiel Fußball gucken und gleichzeitig weghören, wenn die Frau redet. Und die Männer können auch vieles besser verstehen und erklären. Es gibt neuere Erkenntnisse. Anders als die Männer früher, wissen wir heute, dass Männer in Beziehungen länger leben, jedoch eher bereit sind zu sterben. Na gut, die Männer von heute sind auch viel unsensibler geworden. Aber nur scheinbar. Die Ausreden zeigen, dass sich da an der Intelligenz durch Erfahrung doch etwas getan haben muss. Früher hieß es noch: „Toll, das steht Dir gut Schatz!“ Heute sagt Mann: „Hauptsache dir gefällt´s!“
Was ist noch anders? Die Kinder werden immer dicker hatten wir gesagt. In jeder Zeitschrift gibt es Tausend neue Diättipps. Neulich lass ich, schwimmen soll da beim abnehmen helfen. Was machen dann die Blauwale falsch? Wenn Dummheit aussterben sollte, warum gibt es dann immer noch Nazis? Alles Fragen, die uns mit der Frage konfrontieren, ob wir uns tatsächlich fortentwickeln oder nicht.
Die Menschen sollten sich ja physisch auch fortentwickeln und robuster sein als früher. Obwohl, hier gäbe es schon einen guten Nachweis. Als die Queen Mum starb Stand in der Zeitung: Queen Mum ist tot. Es wurden 41 Kanonenschüsse abgefeuert. Da dachte ich, Mann, die hat aber was ausgehalten. Müssen wohl alte Kugeln gewesen sein. Und ich glaube unsere Körper halten heute auch viel mehr Gifte aus als früher. Wie heißt es so schön? Du bist was du isst. Wir essen und trinken heutzutage so viel Chemie, da weiß man nicht mehr, was man isst und ist.
Weitere Vorteile für die Menschen sollten sich aus der Globalisierung ergeben. Der kulturelle Austausch hat den Menschen schon immer zivilisatorische Vorteile gebracht, sehen wir mal von den Kriegen ab. Kulturen haben sich ergänzt und hybride Kulturen haben sich zu einer neuen, höheren Kultur entwickelt. Manchmal passen die Menschen einfach perfekt zueinander, trotz unterschiedlicher Kulturen. Gewinnt die Türkei z.B. ein Fußballspiel, dann fahren die Türken hupend in Autokolonnen durch die Stadt und der Deutsche hat die Gelegenheit diese dann anzuzeigen, was wiederum seiner Kultur entspricht. Eine sogenannte win-win Situation der besonderen Art.
Nur wenige bringen es zustande in einer win-win Situation zu verlieren. Da sind z.B. “Die Grünen“. Gegründet u.a. um die Atomenergie abzuschaffen und was passiert? Stellt in Baden Württemberg zum allerersten einmal den Ministerpräsidenten und wird quasi von heute auf morgen der Betreiber der vier Atomkraftwerke in dem Bundesland und die CDU beschließt dann die Schließung der Atomkraftwerke. Die Grünenpolitik ist aber auch ganz schön grotesk geworden. Erst beschließen die Grünen -entgegen ihrer politischen Grundeinstellung- Soldaten in den Krieg zu schicken und die toten Soldaten werden dann in Särgen bestattet, die aus nachhaltiger Forstwirtschaft gewonnen werden.
An der Politik kann man allerdings sehr schön zeigen, dass sich im Laufe der Zeit auch moralisch nicht viel geändert hat. Oder vielleicht doch? Zu Guttenberg zum Beispiel hat seinen Doktortitel durch Plagiate erlangt. Doch er beteuerte, dass er es nicht gemerkt habe. Das wäre dann schon ein evolutionärer Schritt vom feinsten, wenn man etwa 3/4 der Arbeit abschreibt und es selber gar nicht einmal merkt. Das wäre schon eine völlig andere Bewusstseinsebene, in die der Mensch noch nicht vorgedrungen ist.
Wie sollen wir überhaupt die Menschen in diesem Kontext verstehen, wenn in einer Umfrage gefragt wird, ob Merkel den Euro retten kann oder nicht. Als Antwortvorgabe hat man die Möglichkeiten: „Ja“, „Nein““ und „Ich weiß nicht“. Es gibt Leute, die 30 Cent übrig haben, um dort für „ich weiß nicht“ anzurufen. Es ist eigentlich auch die einzig richtige Antwort, nur die wenigsten rufen da an, um diese einzig richtige Antwort anzugeben, alle anderen sagen „Ja“ oder „Nein“. Oder wie sollen wir Menschen verstehen, wenn z.B. die Proteste gegen “googleview“ am größten sind und gleichzeitig dieses Internetangebot hierzulande im weltweiten Vergleich am meisten benutzt wird? Wie soll man die moralische Entwicklung der Menschen nachvollziehen können, wenn der Sprecher einer der Bewerber der olympischen Spiele stolz darauf ist, keine Schmiergelder an die Entscheidungsträger gezahlt zu haben und die Spiele dann an eine andere Stadt gehen, die Bestechungsgelder zahlte? Da müsste man sagen, wer so gegen die heimlichen Vorschriften des internationalen olympischen Komitees verstößt…
Menschen denken schon sehr paradox. In einer Umfrage fragt man, was sich die Menschen am meisten wünschen. An erster Stelle der Antworten kommt „Weniger Stress“ gefolgt von „Mehr Zeit für die Familie“. Wie soll das denn beides gehen? Doch der Mensch braucht den Menschen. Die Entwicklung in Europa hat gezeigt, dass sich die Menschen individualisieren und die zwischenmenschlichen Bindungen schwächer werden. Wäre das im Sinne einer fortschrittlichen Entwicklung der Menschheit? Wir stellen fest, dass der Mensch den Menschen nach wie vor braucht. Der Mensch sehnt sich nach Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Ob sich das darin ausdrückt, sich einen Titel über Plagiate anzueignen oder “Respekt“ einzufordern, ist egal.
Wie war noch unsere Vorstellung von der Zukunft damals? Die Borg waren weit entwickelt, während die barbarischen Klingonen nicht einmal Anstand gelernt hatten. Doch wen haben wir in unsere Föderation aufgenommen? Nicht die Borg, sondern die Klingonen. Und wieso durfte der Meister der Yedi Ritter, Yoda, auch nach 800 Jahren nicht richtig Deutsch sprechen dürfen? Warum haben wir ihm das nicht gegönnt? Warum gibt es eine Werbung, in der man sich ein Auge zuhält und dazu sagt, dass man dann besser sehen würde, obwohl doch mehr Augen die Evolutionstheorie besser stützt? Warum ist der Verfassungsschutz auf einem Auge blind, anders als beim ZDF Motto heißt es hier dann „Auf dem rechten sieht man schlechter“ und dennoch darf der blindeste aller blinden im Amt bleiben? Wir haben ja ein ungültiges Wahlrecht, das verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Politiker dazu angehalten, dieses Wahlrecht zu ändern, doch es tut sich nichts. In anderen Zusammenhängen, wie beim Thema Integration, wird ständig darauf hingewiesen, dass man das Grundgesetz schätzt und schätzen lassen will. Doch seit zwei Regierungen haben die Parteien kein neues Gesetz beschlossen. Wenn der Wähler also wählen geht, dann wird er, obwohl sein gutes Recht und in der Demokratie eines der wichtigsten Grundrechte überhaupt, mit der Wahl sozusagen einen Verfassungsbruch begehen. Warum schafft sich der moderne Mensch solche ausweglosen Situationen bzw. Situationen, die entweder keinen Sinn machen, und wenn, dann den eigenen Bekenntnissen und Grundprinzipien widersprechen? Warum nehmen wir den Fortschritt als Erlangung uns Ausweitung von Individualität und Freiheit wahr, obwohl wir sehen, dass wir in der Wahrnehmung doch nur unser Gewissen umgehen? Und warum denken wir, dass die Wahlfreiheit die absolute Freiheit ist und nicht die Möglichkeit an sich, sich entscheiden zu können? Wähle zwischen Übel oder Übel ist keine Freiheit. Wählen zu können ist eine Freiheit. Da aber der Mensch nicht zugeben will, veräppelt worden zu sein, veräppelt es sich selber, indem er das eine Übel zum besseren Übel erklärt, wenn nicht gar zum Guten. Denn die Hoffnung treibt den Menschen an. Wir denken, wir hätten die Freiheit uns für ein Auto zu entscheiden. Marke, Farbe, Modell usw… Aber wir denken nicht daran, ob wir das Recht haben, mit dem Jeep um die Ecke zum Bäcker fahren zu dürfen. Ist das der evolutionäre Fortschritt? Wohin entwickelt sich der Mensch? Zu einem fortschrittlicherem Wesen, oder ist der Mensch immer der gleiche Mensch in seinem Wesen?
Wir können wohl mit Gewissheit sagen: Früher ist wie heute, nur anders.
Cemil Y?ld?r?m
cemilyildirim@hotmail.com