Irrungen und Wirrungen. Wo leben wir eigentlich?
Cemil Y?ld?r?m
Wo leben wir eigentlich? Haben Sie sich diese Frage auch schon öfters gestellt? Bestimmt. Schließlich leben wir alle im Land der unbegrenzten Sinnlosigkeiten. In einem Land, in dem Irrungen und Wirrungen, Lug und Trug zum Alltag gehören. Der Otto Normal Lügner lügt ja gemäß der optimistischen Variante geschätzt etwa 200mal am Tag. Es wird gelogen, betrogen und geschummelt, was das Zeug hält. Menschen schummeln ununterbrochen und überall. Selbst im Djungel wird geschummelt. Darum gaben die Tiere des Djungels dem Menschenkind den Namen „Mogli“. Mogli, so könnten viele unserer Politiker auch heißen. Wen wundert´s, wenn dieselben Leute, die die Superstars im TV wählen dürfen, auch die Regierung wählt. Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage: Wenn die Demokratie uns vor der Willkür schützt, wer schütz dann die Demokratie vor dem Wähler?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der „Görlies“ Familienministerin werden, und ihren Schulhofstreit im Plenarsaal des Bundestages fortsetzen dürfen. Ich warte auf den Moment, wo jemand ihr doch endlich ihren Turnbeutel zurückgibt, damit wir endlich unsere Ruhe haben. Wir leben in einem Land der unbegrenzten Doktorarbeiten. Ob es sich dabei um Plagiate handelt, scheint für die Glaubwürdigkeit und die Besetzung eines verantwortungsvollen Amtes nicht einmal so wichtig zu sein. Als Betrüger kann man hierzulande sogar Verteidigungsminister werden. Doch zur Verteidigung des ehemaligen Verteidigungsministers müssen wir sagen, dass unser er zumindest nicht gelogen hat, als er behauptete, er hätte gar nicht abgeschrieben. Stimmt ja auch. Er hat nämlich abschreiben lassen. Ein Plagiat war es ja schon. Neue Beweise bestätigen den Betrug. Entsprechende Belege wurden beschlagnahmt, diese lagen in seiner Tasche der Marke „Adadas“. Wir freuen uns schon auf seine Rückkehr, schließlich macht er doch eine gute Figur in dem maßgeschneiderten Anzug und er ist gescheit. Vielleicht steigert er sich das nächste Mal nicht so sehr in die Rolle des Superstars, denn wie lautet die Steigerungsform von gescheit? Richtig, „gescheit, gescheiter, gescheitert.“ Und es gibt ja kaum Alternativen zu den großen Parteien. Da wäre z.B. die Piratenpartei, wenn, ja wenn die Wähler nicht wären. Die Kandidaten der Piratenpartei machen z.B. Wahlwerbung in der Fußgängerzone. Da kommt eine Wählerin vorbei und wird angesprochen und die Wählerin meint abschließend: „Sie können ja hier meinetwegen friedlich Werbung machen, aber das Sie vor Somalia Schiffe überfallen kann ich nicht unterstützen.“ Immerhin hat diese Dame noch eine Erziehung genossen, in der Piraten in ihrem Weltbild noch zu den Bösen gehört.
Heutzutage gehören ja die Bösen in den Kinderprogrammen mittlerweile zu den Guten. Piraten, Monster und Vampire sind alles nette Weltretter und Käpt´n Blaubär ein offenkundiger Lügner und dennoch ein Star. Lauter verzerrte Bilder im TV. Nicht das es früher unbedingt besser war. In unserer Kindheit habe ich mir immer die Frage gestellt, warum auf dem Raumschiff Enterprise keine Türken dabei sind? Sind die Türken in der Sternzeit 3-90 ausgestorben? Oder dreht man eine separate Serie für Türken mit dem Titel „Rausschmiss Enterprise“? Sind die Türken etwa durch einen Riss im Raum-Zeit Kontinuum in eine andere Dimension ungesiedelt?
Na ja, aufgrund neuer Rollenverteilungen und der Turnbeutelaffären brauchen wir in unserer Gesellschaft der Schuldzuweiser neue Bösewichte. Der Kommunismus hat ausgedient, es schlägt die Zeit der Migranten. Wir leben in einer Gesellschaft in der man Feindbilder konstruiert. Doch zunächst stellt sich die Frage, wie man diese Gruppe von Menschen nennt, die man zum Sündenbock machen will. Gastarbeiter und Ausländer haben als Begriffe ausgedient. „Menschen mit Migrationshintergrund“ heißt es jetzt… Menschen mit Migrationshintergrund und nicht im Vordergrund, umgekehrt hieße es Migranten mit Menschenhintergrund, oder Menschen im Untergrund, Menschen mit und ohne Hund, manche dünn und manche Rund, manche sind Migrantinnen mit „Brüdas“ im Hintergrund…
Apropo die „Brüdas“. Das sind ja die schlimmsten in unserer Gesellschaft. Oft sind „Brüdas“ Muslime, die Weihnachtsgelder bekommen ohne rot zu werden, wenn sie denn überhaupt arbeiten. Die meisten Brüdas sind ja bekanntermaßen Räuber, die nicht arbeiten wollen. Stellen Sie sich vor, da geht der arme Enrico ganz friedlich spazieren und plötzlich kommen diese Brüdas aus dem Busch. Bruda: „Ey rück dein Handy raus alda!“ Enrico: „Ich habe gar kein Handy!“ Bruda: „Hähä, dann kannst du ja gar nicht die Polizei rufen, wenn wir dir dein Handy wegnehmen!“ Ein Horrorszenario für unseren Innenminister. Man spricht wohl nicht mehr von Migrationsgründen, sondern von Migrationsabgründen. Und dann tun sich Hetzer aus den Reihen der Menschen mit Migrationshintergrund hervor, die dann mit Aussprüchen wie „In der Ausländerkriminalität beträgt die Straftat der Ausländer 100%. Der Anteil ist einfach noch zu hoch“ in die Welt setzen. Kelekianer entleeren sich in der Öffentlichkeit und verdienen hier ihre Brötchen als Islamexpertinnen, ohne auch nur das geringste Wissen zu besitzen. Über Sarrazin brauchen wir erst gar nicht zu reden. Sie würden ihr Vertrauen in die Statistik verlieren. Ich will aber den von mir neu kreierten Sarrazin Smilie vorstellen: (^.°). Die Keleks und Sarrazähne sind übrigens auch nicht integriert. Sieht man an der Sprache.
Apropo Sprache. Na ja gut, die deutsche Sprache ist ja zugegeben auch nicht ganz ohne. Nehmen wir z.B. das Wort „Kanzlerin“ zum Gegenstand unserer Kritik. Wir formulieren jetzt einen logischen Satz auf Deutsch. „Mit Angela Merkel haben wir eine Frau zur Kanzlerin.“ Die Logik sagt nun, häää, wie? Ist klar, natürlich eine Frau als Kanzlerin, als Mann wohl kaum. Aber anders kann man es nicht formulieren. Aber Moment bitte, denkt man an den Guido Westerwelle, dann macht die Logik in dem Satz doch einen Sinn, denn Westerwelle würde auch als Mann eine gute Kanzlerin abgeben. Deutsche Sprache schwere Sprache.
Wir kennen Wörter wie „Doppelhaushälfte“. Wir haben als einziges Land der Erde ein „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, weil wir solche langen Wörter bilden können. Und nun soll diese Sprache zum Pflichtfach für Migranten werden, um hier bleiben zu dürfen. Hinzu kommen die ganzen gescheiten Einbürgerungsfragen natürlich. Sprache und Landeskunde. Da fällt mir die Begegnung mit Hermann ein, eine wahre Geschichte. Hermann, ca. 40 mit zwei Kindern ist im Urlaub in Alanya an der türkischen Mittelmeerküste, wo übrigens ganz viele Deutsche Auswanderer leben. Ursula, Hermanns Frau, ist schon ein Stückweit weitergelaufen, während Hermann ratlos vor einem Geschäft grübelt. Ich höre, wie er mit den Kindern Deutsch spricht und frage ihn dann, ob ich ihm helfen kann. Wir plaudern ein wenig und dann kommt die Frage: „Woher haben sie denn so gut Deutsch sprechen gelernt?“ Ich antworte: „Ich bin Bielefelder.“ Während Hermann große Augen macht ruft seine Frau Ursula aus der Ferne: „Hermann, wo bleibst Du, komm doch endlich.“ Hermann ruft hektisch zurück: „Nee, Ursula komm du mal ganz schnell her, hier ist ein Bielefelder, der Deutsch spricht!“ Fehlte nur noch, dass er mich erlegt und als Souvenir mit nach Deutschland nimmt. Es ist schon verwirrend, wenn ein Bielefelder Migrant, der in Alanya doch kein Migrant ist, oder doch, oder… Jetzt komme ich auch schon durcheinander. Stellt sich die Frage, wer ist wo Türke oder Deutscher oder wie und wo leben wir eigentlich?
Cemil Y?ld?r?m
cemilyildirim@hotmail.com
Publiziert in der Ayasofya 35, 2011