Erziehung und Jenseits
Der Glaube an das Jenseits spielt wie in allen monotheistischen Religionen auch im Islam eine wichtige Rolle. Der Muslim nimmt die Welt als eine Prüfung war und glaubt daran, dass er am Ende dieser Prüfung für seine gute Taten belohnt und für die schlechten bestraft wird.
Somit sind die Rahmenbedingungen und die damit zusammenhängenden Grenzen des Individuums festgelegt, innerhalb welcher sich das Individuum bewegen kann.
Dieser Glaube an das Jenseits und die Wiederauferstehung stabilisiert das gesamte gesellschaftliche Leben, verhilft zu einer besseren zwischenmenschlichen Kommunikation und sorgt für Ordnung und Struktur. Darüber hinaus erfüllt der Glaube an das Jenseits die Rolle eines ganzen Gesetzbuches und hilft dem Menschen in seiner moralischen Entwicklung.
Themen wie diese sind es, die bis heute viele bedeutsame Psychologen und Pädagogen, wie z.B. wie S. Freud, J. Piaget und K. Hurrellmann, beschäftigten. So wie diese sich auf die frühe Kindheit fokussieren, so konzentriert sich auch der Islam auf die frühe Kindheit.
Der Glaube an das Jenseits ermöglicht eine Basis, auf der eine gesunde Kindererziehung stattfinden kann. Der Tod gehört zum Leben dazu. Aus diesem Grund sollten Eltern das Kind schrittweise über den Tod und das Leben danach aufklären. Das Kind sollte von seinen Eltern gelernt haben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Die Verstorbenen verschwinden nicht und es gibt ein Ort des Wiedersehens.
Dieser Glaube setzt den Bedürfnissen des Kindes somit auf der einen Seite Grenzen, welche ihm verbieten schlechte Sachen zu machen und auf der anderen Seite motiviert es das Kind gute Werke zu vollbringen.
Dieser Aspekt der Belohnung und Bestrafung überträgt sich dann auf den Charakter des Kindes. Ein Jugendlicher, der von klein an eine solche Erziehung genossen hat, wird danach bestrebt sein, immer Gutes zu tun. Der Umgang mit anderen Menschen wird friedvoll sein, er wird alle Menschen respektieren und ihnen auf keinen Fall etwas Schlechtes zukommen lassen.
Viele Probleme der heutigen Gesellschaft lassen sich mit Hilfe einer auf dem Jenseits basierten Erziehung lösen. Beispielsweise gibt es viele amoralische Jugendliche in unserem Land, die die ältere Generation nicht mehr achten und ihnen kein Respekt zu weisen. Es gibt auch unzählige Jugendliche, die ihre eigenen Eltern nicht respektieren. Der Jugendliche jedoch, der an das Jenseits glaubt, weiß, dass seine Eltern ein Geschenk Gottes sind und das er verpflichtet ist, sich um sie zu kümmern, so wie sie es für ihn taten als es noch ein kleines Baby war. Die damit zusammenhängende Liebe zu dem Schöpfer motiviert den Jugendlichen zu einem respektvollen Umgang mit den Eltern.
Die Wichtigkeit an das Jenseits zu glauben wird auch deutlich erkennbar, wenn man sich die hohe Kriminalitätsrate anguckt. Gewalt, Diebstahl, Mord und Bestechung unter den Jugendlichen sind leider immer noch ungelöste Probleme. Inhaftierungen und andere Drohungen können die Kriminalität nur eingeschränkt verhindern und Rückfälle ebenso wenig vermeiden.
Der Glaube an den Jenseits und die damit verbundene Bestrafung jedoch, kann die Person davon abhalten. Denn der Jugendliche weiß, dass wenn es auch im Laden keine Kamera gibt, dass Gott ihn immer und überall sieht. Er denkt an seine Grenzen und die darauf folgenden Konsequenzen und hält sich fern von Straftaten. Der Islamische Gelehrte Said Nursi schreibt dazu folgendes: „Es ist nur der Gedanke an die Hölle, welcher die jungen Leute, die Quelle und das Fundament allen sozialen Lebens, befähigt, ihre turbulenten Gefühle und gereizten Gelüste und Leidenschaften von Verstoß, Unterdrückung und Zerstörung abzuhalten, und sie dahin bringt, dass sie statt dessen dem harmonischen Verlauf des sozialen Lebens dienen. Gäbe es nicht die Furcht vor der Hölle, würden jene berauschten Jugendlichen dem Prinzip „Macht ist Recht“ folgen, und indem sie hinter ihren Leidenschaften her rennen, würden sie die Welt in eine Hölle für die Schwachen und Hilflosen verwandeln“ (Die Worte, 2002, S.137).
Abgesehen von dem positiven Einfluss des Jenseits auf das Handeln des Kindes, hat der Glaube an ein ewiges Leben auch eine moralische Unterstützung. Ein Kind etwa, von dem der Freund oder einer seiner Elternpaare verstorben ist, braucht sehr starke psychische Hilfe um dies zu überwinden. Durch den Glauben an das Jenseits jedoch weiß das Kind, dass sein verstorbener Freund an einem friedlichen Ort ist und ein besseres Leben führt als das unsrige. Man muss sich einmal vorstellen, wie wichtig es für einen Kind ist, zu wissen, dass man den verstorbenen Freund oder die verstorbene Mutter wieder sehen wird. Der Glaube an eine ewige Trennung mit den Geliebten würde die innere Stärke des Kindes nur schwächen und eine viel zu große seelische Last sein.
Man erkennt, dass diese Probleme durch die Liebe zum einen Schöpfer und damit verknüpfend mit dem Glauben an das Jenseits zum größtenteils lösbar sind. Jugendliche, welche von Kind auf eine Erziehung erfahren, welche auf den oben genannten Kriterien basiert, werden sich zu friedvollen Menschen entwickeln, die nur Gutes für ihre Mitmenschen wollen und keineswegs anderen Menschen Schaden hinzufügen. Das Kind wird seine Eltern und Mitmenschen respektieren und sich von kriminellen Angelegenheiten fernhalten. Zudem wird das Kind innerlich so stark sein, dass es bei einem Tod in seinem Umfeld, weiterhin seelisch stark bleibt.
So bietet der Islam bei der Erziehung mit dem Glauben an das Jenseits eine Lösung für viele gesellschaftliche Probleme an.
Hüseyin Tu?rul
h.tugrul92@gmail.com
Publiziert in der Ayasofya 42, 2013