Ob sie (es) glauben oder nicht!
Eine satirisch kritische Betrachtung
Woran glauben sie denn so? Ist ihnen diese Frage auch zu heikel? Früher waren ja ganz andere Themen in der Öffentlichkeit verpönt und tabuisiert. Heute tabuisieren wir Themen wie Religion, Glaube oder Tod. Wir verdrängen diese Themen bewusst, weil wir mit Sanktionen seitens unserer Mitmenschen rechnen und Angst davor haben, dass unser Bekenntnis uns in eine missliche Lage bringt zur Folge hat, dass wir nicht mehr ernst genommen und ausgeschlossen werden. Aber wer nimmt uns denn schon noch ernst? Seien wir doch mal ehrlich, wer würde uns denn noch für ganz dicht halten, wenn wir glauben, jemand wäre über das Wasser gegangen, oder hätte Tote wieder ins Leben gerufen oder aber die Vorhölle abgeschafft… Obwohl, für die Abschaffung der Vorhölle kommt man allerdings (noch) nicht in die Klapsmühle. Das wird noch immer geduldet, wie neulich gesehen.
Wir können ohnehin nicht alles mit der Vernunft erklären, nicht wahr? Oder wir versuchen erst gar nach dem wahren Sinn zu fragen. Vielleicht ist es auch zu mühselig nach dem wirklichen Sinn zu suchen. Apropos suchen, suchen ist ein sehr wichtiges Stichwort. Jeder Mensch fragt sich ja nach dem Sinn seiner Existenz. Manchmal wünschte ich, man würde sich auch mal nach der Existenz der anderen Menschen Gedanken machen. Auf jeden Fall sind wir doch alle auf der Suche nach einer Wahrheit. Nur die Wahrheit würde uns doch zufriedenstellen, nicht wahr? Und wenn wir nun nicht überzeugt sind die Wahrheit gefunden zu haben? Dann müssen wir uns eben mit dem begnügen, was wir so alles glauben oder was wir uns selber vormachen. Es ist ja auch nicht leicht, bei dem großen Angebot an Welterklärungstheorien die Wahrheit zu erkennen. Und nicht selten setzen wir immer neue Aberglauben in die Welt. Auch solche, die uns das Leben nicht einmal erleichtern, sonder eher erschweren. Warum soll denn z.B. ausgerechnet das Kleeblatt mit den vier Blättern Glück bringen? Nur weil diese so selten vorkommen und das Glück angeblich auch seltener ist als das Unglück? Wäre es da nicht schöner, wir einigten uns für das dreiblättrige Kleeblatt? Dann hätten wir doch alle etwas davon. Zumindest würde es nach wissenschaftlicher Erkenntnis keinen signifikanten unterschied ergeben, ob wir nun dieses oder jenes als Glücksbringer mit uns führen. Oder, warum gilt eine Hasenpfote als Glücksbringer? Der Hase hatte mal vier davon und wurde dennoch vom Jäger erlegt.
Aber woran glauben wir Deutschen denn nun? Sie fragen an dieser Stelle WIR Deutschen? Okay, zugegeben ich bin nur ein getür(c)kter Deutscher. Aber darauf kommt es jetzt nicht an. Sie meinen aber, der ist doch bestimmt Muselmane, so wie der heißt? Das ist an dieser Stelle auch nicht so wichtig. Während sich die Religionen im Dialog befinden hat schon längst eine neue ´Religion’ (für das ich übrigens auch noch keinen konkreten Namen habe) klangheimlich durch die Hintertür Zugang in unsere Glaubenswelt Einzug gehalten und wir haben es nicht einmal bemerkt. Während Christen und Muslime darüber streiten, ob denn der Kirchturm oder das Minarett höher sein soll, haben wir übersehen, dass die Tempel des Kapitalismus um das vielfache höher in den Himmel gewachsen sind, als jedes Minarett und jeder Kirchturm, ja sogar höher, als ein Kirchturm und ein Minarett in der Gesamtlänge zusammen. Und nicht die Kirchen, Synagogen oder Moscheen verzeichnen täglich die meisten Besucherzahlen, sondern Einkaufstempel, Banken, Versicherungsmaklerbüros und Unterhaltungstempel.
Wir säkularisieren uns auch zunehmend, oder? Säkularisierung… also Trennung von Kirche und Staat denken sie? Nicht aber so bei uns in Deutschland. Hier vollzieht sich eher eine Trennung von Moral und Wirtschaft. Und im Zuge der Trennung von Moral und Wirtschaft verschiebt sich auch die Moral und wir eignen uns ganz andere Tugenden an. Es gilt z.B. als Erfolg und besonders lobenswerte Fähigkeit, wenn man es versteht, das Finanzamt zu umgehen. Lichtenstein lässt grüssen. Und wenn es irgendwann brenzlich wird, dann können sich die Steuerhinterzieher selber anzeigen und sind dann straffrei. Eine Beichte der modernen Art quasi. Der Verbrecher ist gleichzeitig für die Aufklärung zuständig, welch himmlische Zustände. Da fragt man sich, wer hat diese Menschen bloß so erzogen. Apropos Erziehung,
Dieser Glaube hat selbst in der Kindererziehung Einzug gehalten. Es mehren sich ja Stimmen, die an Stelle des Religionsunterrichtes bzw. des Ethikunterrichts ein sinnvolleres Schulfach fordern. Die Kinder sollen etwas lernen, was im späteren Leben von Nutzen sein kann. Finanzbuchhaltung zum Beispiel. Neue Werte, neue Tugenden eben. Liebe deines Nächsten Geld. Wenn auch die eine oder andere alte Tugend nach wie vor Bestand hat, schließen sich in unserer neuen Glaubenswelt gewisse Tugenden gegenseitig aus. Zum Beispiel Ehrlichkeit und Höflichkeit. Wie das gehen soll? Denken sie hier einmal gründlich nach, denn wir werden sehr oft mit diesem Umstand konfrontiert. Eigentlich ist es ganz einfach… „gut siehst Du heute aus…“ oder „…schön dich zu sehen…“ Wir Menschen lügen ja ununterbrochen, angeblich ca. hundert mal am Tag, aber in unserem neuen Wertesystem ist lügen kein Tabu und sogar vom belogenen eben auch erwünscht. Wer hört denn nicht gerne Worte des Lobes, wenn es auch nicht ernst gemeint ist.
Fragen wir uns einmal, ob wir dem neuen Glauben denn wirklich so sehr verbunden sind. Zumindest sollte einem der Glaube etwas Wert sein, oder? In Japan zum Beispiel springen Bankmanager aus dem höchsten Stock des Tempels in den Freitod, wenn sie versagt haben. So viel ist dem sein Glaube schließlich doch wert. Wir in Deutschland haben da aber eine bessere Lösung gefunden. Unsere Jünger sind nicht so rigide wie die Japaner und finden immer eine bessere Lösung. Die Manager, die versagt haben, bekommen hierzulande eine Millionen Euro schwere Abfindung und dürfen binnen weniger Monate schon eine neue Firma oder Bank in die Pleite treiben. Die paar Millionen Euro Abfindung sind ja schließlich nicht genug und der Tod nicht wirklich eine Lösung. Den Hals nicht vollkriegen können gehört zu den neuen Tugenden des neuen Glaubens. So leben, als ob man nie sterben und ewig auf der Erde leben würde… Frei nach dem Motto: „Selbst wenn ich wüsste, dass die Welt morgen untergeht, ich würde noch einen Baum fällen.“
Und alles, was sich diesem Glauben in den Weg stellt, soll dasselbe Schicksal erleiden, wie der arme Baum vom Vorsatz. Da ist zum Beispiel eine ganz komische Religion, die irrational ist und die ihre Mitglieder, aber auch allen anderen Menschen in Schutz nimmt und nicht systemkonform ist und zudem eine Konkurrenz aus der Vergangenheit. Also ein alter Glaube, der nach den Prognosen der Experten ebenso auszusterben vermögen sollte, wie viele anderer alten Religionen auch. Fragt man zumindest einen Unternehmensberater (sozusagen ein Priester und Seher des neuen Glaubens), so wird er die alten Religionen wie folgt kennzeichnen: Das Christentum zum Beispiel wäre ein Non-Profit Unternehmen in einem Oligopol mit zwei Marktführern in Deutschland. Die Produktpalette ist völlig überaltert und man hat Absatzprobleme in der Zielgruppe der Konsumenten. Zudem gibt es viel zu große und unprofitable Filialen und die Konkurrenz ist auf jeden Fall preiswerter und man verzeichnet einen unaufhaltbaren Mitgliederschwund. Also dem Konkurs einer solchen Religion sollte nichts mehr im Wege stehen.
Doch da ist aber eben diese andere alte Religion, die sich hartnäckig hält und nicht Konkurs anmeldet, stattdessen aber Zuwächse verzeichnet. Und welch Unglück ist es doch, dass das meiste Erdöl gerade an jenen Orten unter der Erde verbuddelt ist, wo besonders viele dieser Menschen leben, die eben an den Allah glauben und nicht an die Allmacht des Geldes. Sprechen wir doch die Wahrheit direkt an. Seitdem das Erdöl auf der Welt knapp geworden ist, haben wir ein neues Feindbild. Das schlimmste, was die ehemalige Sowjetunion und der Kommunismus uns antun konnten, war doch, dass sie sich aufgelöst hat, ohne vorher Bescheid zu sagen, einfach so. Ein Jünger der neuen Religion würde sagen? „Ich habe ein Feindbild also bin ich.“ Und da das Erdöl gerade bei den Muselmanen begraben liegt, sind wir plötzlich alle Islamexperten. Vorne weg natürlich Peter Scholl-Latour. Den zweiten Nachnamen (La-Tour) hat der ja, weil er immer auf Achse ist, vornämlich in islamischen Ländern. Und er war der erste und einzige Talkshowgast, der davor gewarnt hat, dass sich die Afghanen wehren werden, wenn man in ihrem Land einmarschiert. Wie weise… und wörtlich hieß es „Blähblabdudu (er redet eben so undeutlich).. Hindukusch“. Das Wort Hindukusch konnten wir noch alle entschlüsseln. Prompt reagierte die Bundesregierung und schickte Soldaten nach Afghanistan, um unser Öl… ähhm Land am Hindukusch zu verteidigen. So waren unsere Soldaten plötzlich in Afghanistan, in einem Land, wo die Lieblingssendung der Menschen „Afghanistan sucht den Supertaliban“ heißt (Wir hätten ja für diese Sendungen ja unsere sogenannten ´Islamisten’ Fritz und Daniel hinschicken können). Diese armen Menschen in Afghanistan. Denen muss ja geholfen werden. Man hat Brunnen für die Bevölkerung gebaut und den jungen Mädchen den Besuch einer Schule ermöglicht und man hat Hochzeiten bombardiert. Wozu? Damit die Leiche der toten Braut mit sauberem Wasser gewaschen werden und ihre Freundin das Grabstein richtig beschriften kann? Kollateralschaden eben. Was kostet ein Liter Öl an der Börse? Die Antwort außerhalb der Börse lautet, ein paar Leben von Soldaten und Einheimischen. Aber nein, der Islam strahlt ja eine solch große Gefahr aus, da muss man ja reagieren.
In Deutschland soll es ja noch sicherer werden, als es ohnehin schon ist. Und wir müssen den Muselmanen (oder Mohammedaner) besser verstehen. Oder anders gesagt, wir müssen dem Muselmanen zu erkennen geben, wie wir ihn gerne hätten, wenn er sich schon nicht in unser System einfügt. Also brauchen wir einen Dialog mit den Muslimen. Und wer eignet sich da am besten für einen Dialog? Nein, falsch gedacht… Am besten eignet sich natürlich jemand, die als junges Mädchen zwangsverheiratet wurde. Um als Islamexpertin zu gelten uns sogar an der Islamkonferenz teilzunehmen ist es beinahe notwendig, zwangsverheiratet zu werden. Noch besser eignet sich jemand, die zudem einem Ehrenmord zum Opfer gefallen ist (Manch ein Politiker hielt dieses Argument als schlüssig, weil es ja um die Sache an sich ging. Das diese Person tot ist und nicht mehr sprechen kann, ist nur sekundär). Also kommen diejenigen zu Wort, die bei Wörtern wie Kopftuch, Minarett oder Islamismus gleich sämtliche Alarmglocken läuten lassen und ganz genau wissen, wer im Himmel wie viele Jungfrauen bekommt. Ehrenmorde… hören sie auf. Hier heißt es Mord aus Neid, oder Familiendrama. Wovor haben wir in Deutschland denn Angst? Vor dem Ruf des Muezzin vom Minarett? Die Muslime haben doch auch keine Angst vor dem Weihnachtsgeld, oder? Und wenn ich mal unsere Kirchenglocke bimmeln höre, schaue ich auf die Uhr und sage mir, der Herr Pfarrer ist heute aber eine Minute zu spät dran, der hat bestimmt wie ich vorhin keinen Parkplatz gefunden. Wir brauchen einen ernsthaften Dialog. Ernsthaft bedeutet, mit guten Absichten und der Zielsetzung des friedlichen Miteinanders. Denn eines müssen wir uns alle aber auch wirklich alle vergegenwärtigen, wir können nur in Frieden oder im Krieg leben. Und da ist es plausibel, den Frieden zu wählen, für alle. Es hilft niemandem, wenn plötzlich sogenannte Islamexperten, die aufgrund ihres Diploms in irgendetwas als Wissenschaftler gelten und in der Öffentlichkeit hass predigen.
Und plötzlich tauchen Experten auf, die von gläubigen Muslimen sprechen. Ich wunderte mich doch sehr, als ich das zum ersten Mal hörte, “gläubige Muslime.“ Was sind dann nicht-gläubige Muslime? Was macht ein nicht-gläubiger Muslim so? Stellen sie sich vor, sie leben im tiefsten Bayern und sind ein Zeuge Seehofers…ähhh ein Zeuge Jehovas. Sie stehen mit dem Wachturm auf Bairisch an der Ecke und dann kommt ein gut bürgerlicher Bayer daher und fragt sie: „Na, sans a gläubger oder ungläubger Zeuge Judas?“ Wie würde das denn aussehen, ein ungläubiger Zeuge Jehovas? Klingelt am Sonntagmorgen sinnlos an ihrer Tür und hat ihnen nichts zu sagen? Was macht ein gläubiger Muslim anders als ein nicht gläubiger Muslim? Warum erfindet man das Wort Islamismus, um den Glauben von Menschen zu bezeichnen, die gegen die Grundprinzipien vom Islam handeln. Einen Koran in die Luft zu halten und Flaggen zu verbrennen sind keine besonderen Fähigkeiten. Einen guten Muslim erkennen sie an seiner edlen Moral, so wie einst der Prophet sagte: „Der beste unter euch ist jener, der den Menschen am nützlichsten ist.“ Sie erkennen einen Muslim an seiner Vertrauenswürdigkeit, und daran, wie gut er seine Kinder, den Ehepartner, die Verwandten, Freunde und Nachbarn behandelt. Sofern sie Wert darauf legen natürlich.
Aber nein, wir suchen nicht nach dem Guten im Menschen, sondern nach Dingen, über die wir uns aufregen können, Da kommen uns Schlagworte wie schleichende Islamisierung gerade recht. Schleichende Islamisierung? Ich bitte sie, die Islamisierung ist doch nicht schleichend. Es geschieht ja auch nicht im Geheimen und ist kein Produkt einer heimlichen Missionierung. Will man etwa deshalb die Moscheen wieder in die Hinterhöfe vertreiben, damit wir die Islamisierung als schleichend und somit als gefährlich bezeichnen können? Was würde sich ändern, wenn in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren tatsächlich die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland muslimisch wäre? Ich sag´s ihnen. Wir hätten deutsche Imame, die ganz pünktlich zum Gebet rufen würden, es sei denn, sie müssten noch einen Parkplatz suchen.
Cemil Y?ld?r?m
cemilyildirim@hotmail.com
Publiziert in: Ayasofya, Nr.32, 2010